Zur Rolle des Düsseldorfer Flughafens im EU-Grenzregime
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Der Düsseldorfer Flughafen (Düsseldorf International) ist ein wichtiger Knotenpunkt für Abschiebungen: Tausende Menschen wurden von dort aus in den letzten Jahren mit polizeilicher Gewalt in ein anderes Land geflogen.
Zwar ist nach wie vor der Frankfurter Flughafen (FRAPORT), größtes Drehkreuz des interkontinentalen Flugverkehrs in Deutschland, zugleich auch für die weitaus meisten Flugabschiebungen zuständig: Von den 7.188 Abschiebungen im Jahr 2011 gingen 3.056 vom FRAPORT aus. Direkt dahinter allerdings kommt der Düsseldorfer Flughafen, dicht an dich mit München, dessen Flughafen Düsseldorf um den zweiten Platz bei den Flugabschiebungen konkurriert: 823 Menschen aus ganz Deutschland wurden in 2011 von Düsseldorf aus zwangsweise aus außer Landes gebracht.
Effizienz und Kontrolle durch Sammelabschiebungen:
Weit vorne ist Düsseldorf International insbesondere bei den sog. Sammel- oder Charterabschiebungen:
Bei dieser Variante der Abschiebung wird ein Flugzeug speziell zum Zweck der Abschiebung gechartert. Nachdem es in den 1990er Jahren zu mehreren Todesfällen gekommen war und aufgrund von Anti-Abschiebekampagnen und einer sensibilisierten Öffentlichkeit immer öfter Abschiebungen in Linienmaschinen abgebrochen werden mussten, wurde diese Form zu einer bevorzugten Methode deutscher Behörden, unerwünschte MigrantInnen loszuwerden.
Eine unter Umständen empörte und lästige Öffentlichkeit in Gestalt von Touristinnen und Geschäftsleuten fällt hier weg. Gerade in Länder wie Serbien, den Kosovo oder nach Westafrika, wohin relativ viele Menschen abgeschoben werden, setzen die Behörden gerne auf Nummer sicher. Bei Sammelabschiebungen werden die abgeschobenen Menschen von Sicherheitspersonal – d.h., Bundes- oder Landespolizei oder private Sicherheitsdienste l – sowie von medizinischem Personal begleitet. Damit ist es fast ausgeschlossen, dass eine Abschiebung aufgrund von Widerstand oder etwa wegen moralischer Skrupel der Pilotin abgebrochen werden muss.
Sammelabschiebungen sind im eigentlichen Sinne nichts Neues im deutschen Migrationsmanagement: Bereits Ende der 1990er Jahre starteten regelmäßig Abschiebecharter von Düsseldorf nach Rumänien, in die Türkei und in weitere Hauptfluchtländer. Allerdings werden sie zunehmend effizienter und „gesamteuropäischer“:
In den letzten drei Jahren wurden Sammelabschiebungen immer öfter über die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX koordiniert und über EU-Mittel finanziert, was den – eigentlich für Abschiebungen zuständigen Bundesländern – sehr entgegenkommt: Immerhin werden pro Charterabschiebung, etwa nach Serbien, um die 62.000 €uro fällig. Für eine Sammelabschiebung nach Westafrika zahlt der Staat eine sechsstellige Summe. Diese wird nun über FRONTEX aus EU-Mitteln refinanziert.
Oft gibt es Zwischenstopps in anderen europäischen Ländern, bspw. in Wien, wo weitere Abgeschobene zusteigen müssen, oder aber es werden Zwangspassagiere aus Belgien, Schweden oder Holland „zugeliefert“.
Ganz offensichtlich wird die europäische Koordination von Abschiebungen ein zunehmend bedeutendes Tätigkeitsfeld für FRONTEX, und der Düsseldorfer Flughafen spielt hier eine zentrale Rolle.
AIR BERLIN steckt dick im Geschäft mit den Abschiebungen
Von diesem Deal profitiert seit 2010 vor allem AIR BERLIN: Die wirtschaftlich enorm angeschlagene Fluggesellschaft bekommt seit Jahren den Zuschlag für fast sämtliche FRONTEX-organisierte Sammelabschiebungen nach Ex-Jugoslawien. Diese wiederum finden maßgeblich von Düsseldorf aus statt. Außerdem gibt es Sammelabschiebungen mit AIR BERLIN Beteiligung von Baden-Baden und Stuttgart nach Ex-Jugoslawien, sowie von Berlin-Schönefeld nach Vietnam.
Schon die LTU hatte beim schmutzigen Geschäft mit den Sammelabschiebungen kräftig mitgemischt: Bei der Übernahme von LTU durch AIR BERLIN im März 2007 wurde dieser Geschäftszweig quasi mit eingekauft.
Transit und „Flughafenverfahren“
Auf dem Düsseldorfer Flughafen findet sich auch ein sogenannter Transitbereich für Asylsuchende, die über den Flughafen versucht haben einzureisen und von den Behörden daran gehindert wurden. Dieser mit Stacheldraht umzäunte Bereich darf von den Flüchtlingen nicht verlassen werden. Auf dem von einem Sicherheitsdienst bewachten Gelände stehen Wohncontainer, in denen die Flüchtlinge übernachten und wo die Asylanträge durch das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) im „Schnellverfahren“ entgegengenommen und bearbeitet werden. Erst wenn dieses oberflächliche Schnellverfahren für die Asylsuchenden positiv ausgeht, dürfen sie offiziell in die Bundesrepublik einreisen und das Flughafengelände verlassen. Andernfalls werden sie sofort abgeschoben.
Da inzwischen allerdings fast keine Flughafenverfahren mehr stattfinden und so gut wie alle der sehr wenigen Betroffenen anschließend auch einreisen dürfen, mehren sich derzeit auch in der offiziellen Politik die Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens.
Aus den Augen, aus dem Sinn… AktivistInnen durchbrechen die trügerische Ruhe
Nicht nur im Flugzeug selbst, sondern schon vor dem Flug sind die abgeschobenen Menschen außer Sicht- und Hörweite für andere Passagiere. Buisness-Leute und urlaubshungrige Reisende sollen nicht mit bürokratischem Rassismus und dem dadurch verursachten Elend und der Panik anderer, unfreiwillig reisender Menschen konfrontiert werden.
Daher ist die Halle, in der die Menschen auf ihre Abschiebung warten müssen, vom offiziellen Abflugterminal zwar nur 200 Meter Luftlinie entfernt, aber de facto abgeschottet. An den Tagen, an denen Sammelabschiebungen stattfinden, werden die Menschen ab den frühen Morgenstunden in den Bussen der Ausländerbehörde zu einer abgelegenen Halle am Tor 36, neben der Flughafen-Feuerwache, gebracht.
Konnten Sammelabschiebungen bis 2009 jahrelang weitgehend ungestört stattfinden, so ist es mit einer wiedererstarkten antirassistischen Bewegung in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren so gut wie jedes Mal zu lautstarken Protesten, sowohl am Tor 36 als auch am Abflugterminal gekommen. Der reibungslose Normalablauf des Flughafens wir damit immer wieder zumindest beeinträchtigt – und mit dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von November 2010, wonach Demonstrationen explizit auch auf Flughafengelände vom Versammlungsrecht gedeckt sind, dürfen die Proteste weder von der Polizei noch vom Flughafenbetreiber unterbunden werden.
Der Flughafen Düsseldorf wird aufgrund seiner zentralen Rolle vor allem bei den Abschiebungen von Roma-Flüchtlingen nach Kosovo und Serbien ein wichtiger Aktionsort für das Nobordercamp 2012 sein.